Burzenländer auf der Weltausstellung1873 in Wien
Vor genau 150 Jahren, vom 1. Mai bis 2. November 1873, fand die vierte Weltausstellung in Wien statt. Es war die erste Weltausstellung im deutschsprachigem Raum und bislang größte: 35 Staaten nahmen mit 53.000 Ausstellern teil, davon 9.000 aus Österreich-Ungarn . Die in etwa fünfjährigen Abständen stattgefundenen Weltausstellungen waren 1855 in Paris, 1862 London, 1867 Paris, 1873 Wien, 1876 Philadelphia, 1878 Paris, 1889 Paris, 1893 Chicago und 1900 Paris; vgl. dazu: Wilhelm Döring, Handbuch der Messen und Ausstellungen (= Monographien zur Weltwirtschaft, Bd. I, Darmstadt, 1956); Christian Beutler, Weltausstellungen im 19. Jahrhundert (= Die neue Sammlung, Staatliches Museum für angewandte Kunst, München, 1973); Jutta Pemsel, Die Wiener Weltausstellung von 1893, Böhlau Verlag Wien-Köln, 1989.
Als Ausstellungsgelände wurde der Wiener Prater ausgewählt, das ehemalige kaiserliche Jagdrevier, das Kaiser Josef II. bereits 1766 der Wiener Bevölkerung als Erholungsgebiet geschenkt hatte. Dieses Areal hatte eine Gesamtfläche von etwa 233 Hektar, wovon 16 Hektar bebaut wurden, und zwar mit 194 Pavillons (Abb. 1). Die Fläche war etwa fünfmal so groß wie das Gelände des Champ de Mars in Paris, wo die vorhergehende Weltausstellung stattgefunden hatte. Teil des Anlagekonzeptes waren die Grünanlagen mit ihren Ruhezonen, Wasserspielen und Baumgruppen. Die Ausleuchtung des Geländes war durch zahlreiche „Gasflammen“ gewährleistet.
Für die Fassadengestaltung der größten Hallen wurden historische Stilformen verwendet, die das aus einer Stahl-Eisenkonstruktion bestehende Traggerüst ummantelten.
Blickfang und Wahrzeichen der Ausstellung war die Rotunde, damals der größte Kuppelbau der Welt (Abb. 2) – sie brannte 1937 ab –, die zusammen mit dem Industriepalast das Zentrum des Ausstellungsgeländes bildete. Der Industriepalast war mit vier Toren ausgestattet, wobei das Südportal mit der imposanten Skulpturendekoration am auffälligsten war. Beeindruckend wirkte auch die Maschinenhalle mit einer Länge von 800 Metern und einer Ausstellungsfläche von 40.000 qm.
Die Ausstellung war in 26 Gruppen und 174 Sektionen gegliedert. Neben den Produkten des Industriezeitalters – man sprach eigentlich von einer „Industrieausstellung“ – waren das Kunstgewerbe und die Landwirtschaft mit einem breit gefächerten Angebot vertreten.
Die Landwirtschaft wird im General-Catalog der Ausstellung in der zweiten Gruppe zusammen mit der Forstwirtschaft, Wein- und Obstbau und Gartenbau, gleich nach dem Bergbau- und Hüttenwesen präsentiert, gefolgt von der chemischen Industrie.
Erwartungsgemäß war das Burzenland innerhalb dieser Gruppe in erster Linie mit Getreideprodukten (Weizen, Gerste), Gemüse (Erdäpfel, Erbsen und Fisolen) vertreten, aber auch die Produzenten von Industriepflanzen (wie Hanf und Flachs) aus Tartlau oder Zeiden zeigten ihre Erzeugnisse auf der Wiener Ausstellung. Zwei aus Brenndorf stammende Landwirte waren mit ihren Getreidesorten anwesend; auf sie gehen wir weiter unten ein.
Mit Forstprodukten (Stammhölzer und Holzspänen) präsentierten sich Ludwig Hessheimer aus Kronstadt, M. Copony aus Rosenau und Georg Kueres aus Zeiden.
Diese Produkte waren in der „Östlichen Agriculturhalle“ ausgestellt, wie auch die der IV. Gruppe, zu der Nahrungs- und Genussmittel gehörten. Das Burzenland war hier mit Malprodukten der bekannten Mühle „Königes&Kopony“aus Kronstadt vertreten. Aus der Hauptstadt des Burzenlandes stammten auch sämtliche Aussteller der „Textil- und Bekleidungsindustrie“ (Gruppe V – deren Produkte in der Südlichen Quergalerie 13a untergebracht waren).
Zur „Bekleidungsindustrie“ gehörte das vielgestaltige Schuhwerk (Frauenschuhe, „Damenstiefeletten“ und andere Stiefelsorten). Zur Gruppe VI gehörten die Hersteller von Rohleder und diversen Lederwaren, darunter Josef Dück und Trepsches&Scherg aus Kronstadt sowie Josef Marko aus Rosenau.
Ausschließlich aus Kronstadt stammten auch die Aussteller von Metall- und Industrieerzeugnissen, von denen einige ihre eigenen Erfindungen zur Schau stellten, z. B. N. Metz, mit seinem Schrittmesser. Zudem wurden diverse Produkte der Kesselschmiede Samuel Rotarides oder Friedrich Gräf vorgeführt.
In der „Nördlichen Quergalerie“ wurden auch die Erzeugnisse der Holzindustrie (Gruppe VIII) ausgestellt, die insgesamt in Kronstadt hergestellt wurden. So konnte man Mustertafeln für Parkett in Augenschein nehmen, womit der Hersteller Martin Copony in ganz Siebenbürgen bekannt wurde, oder Mobiliar für die Ausstattung von Kasinos, wie z. B. die von Michael Goldschmied und Johann Gyöngyösi hergestellten Spiel- und Billard-Tische. Hinzu gesellten sich andere Holzerzeugnisse, wie Sessel aus gebogenem Holz, Badewannen und Flaschen.
Unter den Herstellern von Erzeugnissen der Gruppe XI „Papier-Industrie“, die in der Hauptgalerie untergebracht war, befand sich als einziger Vertreter aus Siebenbürgen „Königes&Kopony“ aus Kronstadt.
Zu den Exponaten der Gruppe XII „Graphische Künste und gewerbliches Zeichnen“, die sich in der „Östlichen Agriculturhalle“ befanden, gehörten in erster Linie Erzeugnisse der Buchdruckereien. Kronstadt war vertreten durch die Buchdruckerei „Johann Gött & Sohn Heinrich“, die auch diverse Lithographie-Erzeugnisse produzierte, sowie mit Buchdrucker-Erzeugnissen von Römer und Kramer. Zu dieser Gruppe gehörten auch die Kronstädter Fotografen Oskar Luckhard und Samuel Herter, wobei Letzterer auch einen von ihm erfundenen selbsttätigen Waschapparat vorführte.
Auch bei der Gruppe XIII „Maschinen- und Transportmittel“ werden im General-Catalog der Weltausstellung aus Kronstadt gebürtige Aussteller angeführt. Erwähnenswert ist das von Franz Peduska gebaute Modell einer Dampfmaschine, das im Zeitalter der Industrierevolution auf größeres Interesse gestoßen haben könnte.
Bei dieser Vermutung gehen wir davon aus, dass sogar die erste im Hüttenwerk Reschitza hergestellte Lokomotive zur Weltausstellung transportiert wurde.
Mit welchem logistischem Aufwand dieser Transport bewerkstelligt wurde, bezeugt das bekannte historische Foto von Gustav Adolf Stosius, auf dem über 30 Ochsenpaare zu erkennen sind, mit der die in Reschitza gebaute Berglokomotive „Hungaria“ auf Achse bis zur Donau befördert wurde, um nach Wien zu gelangen (Abb. 3).
Auch der von Josef Szalabszky patentierte Waschkessel, vielleicht der Vorläufer einer Waschmaschine, dürfte eine beachtenswerte Erfindung gewesen sein.
Bei der Gruppe XV „Instrumente“, die im Pavillon der Nördlichen Quergasse 13 Unterkunft fand, haben wir die Überraschung, dass Kronstadt eine Glocke zur Schau stellte. Sie entstand in der Werkstatt des berühmten Glockengießers Ephraim Andraschofszki, eines Nachfahren von Johann Andraschofsky aus Klausenburg, der im Jahre 1858 die Große Glocke für die Schwarzen Kirche gegossen hatte.
Das Burzenland war vertreten durch mehrere Hersteller diverser Baumaterialien, deren Produkte im General-Catalog in der XVIII. Gruppe „Bau- und Civil-Ingenieurwesen“ präsentiert wurden.
Kronstadt und seine an Kalkstein reiche Umgebung war schon damals für seine Pionierleistung in der Zementherstellung bekannt, also lange bevor die Aktiengesellschaft „Kronstädter Portlandzement Kugler & Cie.“ (ursprünglich „Angele Hoch & Kugler“) ins Leben gerufen wurde.
Als Produzenten dieses damals noch relativ neuen Baumaterials präsentierten sich Paul Hammer oder Johann Zekely, ebenso Andreas Porr aus Neustadt, der mit seinen Ton- und Ziegelsteinen über die Grenzen des Burzenlandes hinaus bekannt war und dessen feuerfeste Produkte auch in der Industrie sehr gefragt waren. Unter den Ziegelherstellern wird im Officiellen General-Catalog der Weltausstellung auch Julius Gemeiner aus Kronstadt augelistet. Diverse Muster von Pflastersteinen wurden in diesem Pavillon von dem ebenfalls aus Kronstadt stammenden Adolf Bernaschek gezeigt.
Den Schritt haltend mit der Entwicklung der Architektur präsentierte Eduard Dick aus Kronstadt bei der Weltausstellung in Wien die von ihm entworfene „Balustres“ (Balustrade oder Dockenbrüstung) und ein sogenanntes „Atiiquegeländer“, während der Kronstädter Baumeister Friedrich Kovalter bemüht war, bei dieser Ausstellung unter Beweis zu stellen, wie ein Hauptgesimse auch aus Blech und Tragsteinen errichtet werden kann.
Der Schreinermeister Josef Eichberger stellte bei dieser Gelegenheit das von ihm verbesserte Modell einer Türe mit Oberlicht vor.
Das Burzenland war auch in der Gruppe XX „Bauernhaus und Entwicklung“ präsent. Während Wilhelm Kammer aus Kronstadt das Modell eines siebenbürgisch-sächsischen Bauernhauses vorführte, zeigte die Gemeinde Tartlau eine vollständig eingerichtete Bauernstube, deren Inventar mit viel Hingabe von Lorenz Gross zusammengestellt wurde.
Für die Weltausstellung in Wien wurde sogar ein siebenbürgisch-sächsisches Bauernhaus, bestehend aus Zimmer, Küche, Steighaus (samt vollständiger Zimmer- und Kücheneinrichtung), in Michelsberg abgebaut und im Ausstellungsgelände originalgetreu wieder aufgebaut (Abb. 4).
Zurückkommend auf die Landbauern aus dem Burzenland bzw. aus Brenndorf, deren Produkte im General-Catalog der Wiener Weltausstellung angeführt werden, müssen die beiden Namen genannt werden: Gabriel Jekel und Johann Klein. Der erste nämlich als Gerste- und der zweite als Weizenanbauer.
Laut „Consistorial- und Presbyterialprotokolle der evangelischen Gemeinde Brenndorf“ (herausgegeben von Otto Gliebe, 2010) und den genealogischen Daten von Brenndorf, die freundlicherweise von Hugo Thiess ausgewertet wurden, dürften es sich um folgende Brenndörfer handeln: Gabriel Jekel, 1825-1894, der auch Presbyter und Geschworener war; und Johann Klein, 1814-1889, der zu diesem Zeitpunkt Presbyter, ab 1875 Kurator und ab 1877 auch als Dorfrichter tätig war.
Die „Dreifelderwirtschaft“ wurde um 1876 abgelöst durch die fortschrittliche „Vierfelderwirtschaft“, die den Vorzug hatte, dass jährlich der ganze Acker genutzt werden konnte. Man praktizierte die Fruchtfolge: im ersten Jahr Herbstfrucht (Weizen, Roggen, Flachs), im zweiten Jahr Hackfrucht (Zuckerrüben, Futterrüben, Kartoffeln, Mais), im dritten Jahr Gerste oder Hafer mit Rotklee-Einsatz sowie im vierten Jahr Rotklee. Aus einer Statistik aus dem Jahr 1897 geht eindeutig hervor, dass auf dem Ackerland (das 50 % vom Brenndörfer Hattert einnahm und 2 502 Joch betrug), in erster Linie Weizen angebaut wurde, und zwar 36,78 % von dieser Fläche Sommerweizen, 16,37 % Winterweizen, gefolgt von Mais mit nur 14,56 %. Anscheinend spielte der Gerstenanbau zu diesem Zeitpunk eine zweitrangige Rolle (vgl. Rudolf That, „Brenndorf. Ereignisse und Gestalten aus der 700-jährigen Geschichte einer siebenbürgisch-burzenländischen Gemeinde“, 1979, S. 144-147).
Der erwartete große Erfolg der Wiener Weltausstellung blieb aus. Es wurden 20 Millionen Besucher erwartet, es kamen jedoch nur 7,25 Millionen zur Ausstellung. Das bedeutete für die Staatskasse ein Defizit von 14.866.921 Gulden.
Kurz nach Ende der Weltausstellung wurde bereits mit der Demolierung der Gebäude begonnen. Die Rotunde konnte nach der Ausstellung aus finanziellen Gründen nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, abgetragen werden, weswegen sie weiterhin für kommerzielle Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt wurde. Nach 64-jähriger Nutzung fiel sie am 17. September 1937 einem Großbrand zum Opfer. Übrig blieben vorerst noch die Maschinenhalle sowie der Nördliche und Südliche Pavillon für Kunst. Die Maschinenhalle wurde als Lagerhalle weiter verwendet. Eigentlich war im vornherein der größte Teil der Bauten nur als temporäre Installation konzipiert.
Bis heute erhalten geblieben sind der „American Pavillon“ mit seinen seitlichen Zubauten, der gewesene „Pavillons des Amateurs“, der heute von Künstlern als „Praterateliers“ genutzt wird, und der Südpavillon im Originalzustand.
Dr. Volker Wollmann