650 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Brenndorf

Gedanken zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen in Brenndorf

Die Festveranstaltung zur 650-Jahr-Feier fand am 4. August 2018 im Anschluss an den Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Brenndorf statt. Hugo Thiess überbrachte Grüße seitens der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ und präsentierte den Festvortrag des Vorsitzenden Siegbert Bruss, der leider nicht anwesend sein konnte. Der Vortrag wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.

 

Vor 650 Jahren wird Brenndorf erstmals unter dem Namen villa Bathfalva erwähnt. Eine Urkunde vom 23. Juni 1368 weist auf zwei wichtige Komponenten der Ortsgeschichte hin: die Bauerngemeinschaft und den Gräfen (comes) Jacobus. Die Vorfahren des Comes Jacobus de Bathfalva hatten von den Königen Karl Robert (1310-1342) und Ludwig I. (1342-1382) Privilegien erworben, die seine Abgabenfreiheit und seinen Besitz über eine Mühle bestätigten. Aus dieser Urkunde geht hervor, dass die Gemeinde zu Beginn des 14. Jahrhunderts bereits existierte, vermutlich ist sie aber schon im 13. Jahrhundert entstanden. Brenndorf gehörte zum Kronstädter Distrikt. Aufgrund sozialer Gegensätze hatten die Bauern aus Brenndorf das Gut des Gräfen angezündet, wobei auch die beiden Urkunden, die ihre Privilegien dokumentierten, verloren gegangen waren.

In weiteren Urkunden entwickelt sich der Ortsnamen von Brigondorf (1377) über Bringindorf (1396) und Bringendorf (1397) bis zu Brengendorff (1510), Brengdorff (1526) und schließlich Brenndorf (1528) und Brendorf, wie die Gemeinde auf der Siebenbürgenkarte von Honterus (Basel 1532) genannt wird. Brigon (kurz: Brion) könnte, wie manche Historiker vermuten, vom Lokator Brigon (wallonischer Herkunft), einem Vorfahre der Brenndörfer Gräfen, herrühren, oder von Brigitte abgeleitet sein.

Das „erste Gotteshaus“ in Brenndorf, eine kleine hölzerne Kapelle, die sich auf dem „Priesterberg“ am Altufer befand, war nämlich der Heiligen Brigitte geweiht, berichtet Rudolf That in der Ortschronik „Brenndorf. Ereignisse und Gestalten aus der 700-jährigen Geschichte einer siebenbürgisch-burzenländischen Gemeinde“, Hercynia-Verlag, Kipfenberg 1979.

Eine zweite Kirche, eine romanische Basilika mit einem Glockenturm, wird spätestens 1310 gebaut, so die Inschrift auf dem heutigen Kirchturm. Von dieser Kirche, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war, haben sich bis heute nur noch Reste des Westportals unter dem heutigen Glockenturm erhalten.

Die Geschichte von Brenndorf ist geprägt von der Arbeit, dem Fleiß und der Beharrlichkeit der sächsischen Bewohner, vorwiegend Bauern, die eine fortschrittlichen Technologie besaßen und aufgeschlossen für weitere technische Neuerungen waren. Ihr Schulwesen, ihre Nachbarschaften, ihre demokratische Gemeindeverfassung haben sich über Jahrhunderte bis in die Moderne erhalten, ohne feudalisiert zu werden.

Die Geschichte Brenndorfs vollzieht sich im großen Kontext der Entwicklungen in Europa, in Siebenbürgen und vor allem im Burzenland, das vom Deutschen Ritterorden 1211-1225 maßgeblich geprägt wurde. Doch immer wieder kam es zu Rückfällen, feindlichen Einfällen, Überschwemmungen, Bränden, Seuchen oder Erdbeben.

Als die Türken 1421, 1658 u.a. Jahren in Brenndorf einfielen, fanden die Sachsen Zuflucht in ihrer Kirchenburg. Doch nicht immer gelang ihnen das. So plünderte Fürst Vlad Ţepeș 1457 Brenndorf und tötete oder verschleppte zahlreiche Bewohner. Brände wurden in den Jahren 1568, 1627, 1679, 1686, 1737, 1867 verzeichnet. 1844 brannten 340 sächsische und 135 rumänische Häuser in Brenndorf ab. Im Jahr 1891 wurde in den Burzenländer Gemeinden die Feuerwehr verpflichtend eingeführt.

Trotz dieser Rückschläge ist die Entwicklung des Dorfes beständig. Laut erster Burzenländer Bevölkerungsstatistik im Jahr 1510 gab es 313 bewohnte Häuser in Brenndorf, schätzungsweise waren das 600 Einwohner. 1657 wurden erstmals zwei rumänische Steuerzahler erwähnt. 1870 hatte Brenndorf 1.837 Einwohner, davon 1.237 Sachsen, 15 Ungarn, 500 Rumänen, 88 „Neubürger“ (Zigeuner), nach Konfessionen waren 1.211 evangelisch, 598 griechisch-katholisch, 5 reformiert. 1910 lebten in Brenndorf 2.395 Personen, davon 1.416 Sachsen, 878 Rumänen, 85 Ungarn und 15 andere. 1941 zählte Brenndorf 2.538 Einwohner, davon 1.391 Deutsche, das sind 54 Prozent.

Hier einige geschichtliche Daten und Fakten:

1429 wohnte in Brenndorf der älteste namentlich bekannte Orgelbauer des Landes, Johannes Teutunicus.

1444 gab es in allen sächsischen Gemeinden des Burzenlandes Schulmeister. Im Jahr 1508 wird in Brenndorf eine Schule und 1556 ein Schulmeister erwähnt.

In der Kirche befindet sich der älteste Taufstein des Burzenlandes 1491.

1532 wurde Brenndorf erstmals karthographisch dargestellt auf der Siebenbürgenkarte des bedeutenden Kronstädter Reformators und Humanisten Johannes Honterus, die in Basel erschien.

Am 26. Oktober 1802 wurde die ganze Kirche durch ein verheerendes Erdbeben zerstört. Am 26. Oktober 1806 konnte die neue, geräumige Saalkirche eingeweiht werden, die bis heute erhalten geblieben ist. Ein neues Pfarrhaus wurde 1843-1844 gebaut, 1865 wurden die Ringmauern der Kirchenburg bis auf einen kleinen Teil der südöstlichen Außenmauer, die der Einfriedung des alten Friedhofes dient, abgetragen.

Nach dem Bau der Eisenbahnstrecke Kronstadt – Wien (über Schäßburg und Klausenburg) in den Jahren 1867-1873 errichtete die Firma Friedrich Czell und Söhne 1889 in der Nähe der Bahnstation Brenndorf eine große Zuckerfabrik. Die Zuckerfabrik förderte die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde und des gesamten Burzenlandes in erheblichem Maße. Es ist der einzige Industriebetrieb in Siebenbürgen, der seit 129 Jahren ununterbrochen funktioniert, auch während der beiden Weltkriege.

Eine neue Schule wurde am 14. Oktober 1894 eingeweiht.

Im Jahr 1900 wurde das neue Rathaus gebaut. 1913 wurde das elektrische Licht in der Schule, 1914 wird die Straßenbeleuchtung in Brenndorf eingeführt.

Den Anschluss Siebenbürgens an Rumänien im Jahr 1918 haben die Siebenbürger Sachsen durch die Erklärung am 8. Januar 1919 in Mediasch begrüßt. Doch die Versprechen der Siebenbürger Rumänen, die selbst jahrhundertelang als Minderheit in Siebenbürgen gelebt hatten, wurden von der zentralistischen Regierung in Bukarest nicht eingehalten. Die Wälder der evangelische Kirche wurden durch die Agrarreform 1921 zum Großteil enteignet, die Kirchensteuer musste stark erhöht werden, um die Schulen weiter tragen zu können. Die hohe Steuerlast führte zu Unzufriedenheit innerhalb der sächsischen Gemeinschaft.

1927 errichteten die Dresdner Leo-Werke am Ende der Mühlgasse in Brenndorf eine Pfefferminze-Destillationsanlage, als einzige Anlage dieser Art in Rumänien und eine der größten Öldestillerien Europas. Nach 1989 wurde die Fabrik privatisiert und kurz danach stellte sie ihren Betrieb ein.

In Brenndorf wurde am 3. Dezember 1929 das erste Vereinshaus eines landwirtschaftlichen Vereins in Siebenbürgen eingeweiht.

1939 wurde die Schule um zwei Klassenräume und einen großen Turnsaal erweitert.

Bei der Zuckerfabrik befindet sich der Rundfunksender, der 1933/34 in Betrieb ging. Am 25. Januar 1942 wurden hier -38,5 Grad Celsius, die bisher tiefste Temperatur Rumäniens, gemessen.

Otto Gliebe, Ehrenvorsitzender der Dorfgemeinschaft schreibt: „Brenndorf hatte zu seiner Blütezeit, nach der Jahrhundertwende (1900), knapp 1.500 siebenbürgisch-sächsische Einwohner und war bis zum zweiten Weltkrieg ein blühendes Bauerndorf im Burzenland. Der Kriegseinsatz mit hohen Verlusten, die Kriegsgefangenschaft, die Deportation der arbeitsfähigen Frauen und Männer in die Sowjetunion (1945), die zwangsweise Evakuierung eines Teils der sächsischen Bevölkerung in rumänische Gebiete (1952), vor allem aber die Enteignung von Grund und Boden (1945) haben die Siebenbürger Sachsen stark dezimiert und verunsichert. Die aussichtslose Lage, den enteigneten Besitz wieder zu bekommen und die ehemals weitreichende Autonomie als Minderheit im rumänischen Staat wieder zu erlangen, hat die meisten der in Brenndorf lebenden Sachsen dahingehend stark beeinflusst, die Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland in Erwägung zu ziehen. Dieser Schritt wurde vor und nach der Wende (1989) von den meisten Sachsen auch vollzogen.“ (Briefe aus Brenndorf, Folge 67, Pfingsten 2009)

Schon im Ersten Weltkrieg waren 43 Brenndörfer als Soldaten an der Front gestorben. Im Zweiten Weltkrieg sind 89 Brenndörfer gefallen bzw. vermisst. 240 Frauen und Männer in arbeitsfähigem Alter wurden im Januar 1945 aus Brenndorf zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. 40 Brenndörfer starben dabei an Kälte, Erschöpfung oder Krankheit.

Durch einen Willkürakt des kommunistischen Regimes wurden 23 Familien aus Brenndorf im Mai 1952 evakuiert. Innerhalb von drei Tagen mussten sie die Ortschaft verlassen. Sie gehören zu den 2000 Burzenländer Sachsen, die in andere Gegenden Rumäniens zwangsausgesiedelt und damit entwurzelt wurden.

„Die endvierziger und fünfziger Jahre, in die auch die Zwangsevakuierungen fielen, waren die Schwersten in der Geschichte unserer Gemeinschaft, die wie nie zuvor Schmach, Peinigung, Demütigung und Terror zu spüren bekam und als Reaktion darauf letztendlich die Auswanderung in die Bundesrepublik und das absehbare Ende der Sachsen in Siebenbürgen bewirkten“, schreibt Reinhardt Martini (Briefe aus Benndorf, Folge 53, Pfingsten 2002).

Trotz widriger Umstände wurde die Kultur auch in der Nachkriegszeit groß geschrieben. Ob Blasmusik, Theater, Chor, „Atlantis“-Musikband, Gitarren- oder Flötengruppe, in Brenndorf gab es schon immer rege kulturelle Aktivitäten.

Brenndorf hat eine lange Blasmusiktradition. Die erste urkundliche Erwähnung der Adjuvanten in Brenndorf geht auf den 21. Juni 1816 zurück. Es ist eine der ältesten Blaskapellen des Burzenlandes. Eine neue Generation von Musikanten, die „Junge Blaskapelle“, spielte erstmals öffentlich am 26. Juni 1955. Ein ganz besonderes Fest wurde am ersten Mai gefeiert, als die Blaskapelle von Haus zu Haus ging und in allen Straßen Brenndorfs spielte. Nach der Aussiedlung nach Deutschland fanden sich die Musikanten bald wieder zusammen und spielten bei den großen Brenndörfer Treffen in Brackenheim oder bei Regionaltreffen.

Am 4. März 1977 wurde die Kirche durch ein Erdbeben so heftig erschüttert, dass die Kirche und der Turm tiefe Risse bekamen. Dank der Spenden sowie des Einsatzes der Brenndörfer Gemeindeglieder und der Blasmusik konnte die Kirche schon am 6. November 1977 wieder eingeweiht werden.

Durch ein Erdbeben am 30. Mai 1990 wurde die Kirche erneut beschädigt, tiefe Risse an den Mauern und Fensterbögen waren sichtbar. Aus Mitteln der deutschen Bundesregierung sowie aus Eigenmitteln der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ (HOG Brenndorf) und der evangelischen Kirchengemeinde Brenndorf wurde die Kirche im Inneren im Herbst 2013 renoviert. Der Kirchturm wurde 2015 renoviert, die südliche Außenseite 2017. Im Jahr 2019 wollen wir die nördliche Außenfassade erneuern und die Kirchrenovierung damit beenden.

Brenndorf ist immer wieder aus den Trümmern der Geschichte auferstanden und hat sich zu einer wohlhabenden Gemeinde entwickelt, was auf den Fleiß und den Gemeinsinn der Bürger zurückzuführen ist, ebenso auf den göttlichen Beistand, den sie über Jahrhunderte erfahren haben.

Um so tragischer ist ihr Schicksal, das in der Nachkriegszeit von Auswanderung geprägt ist. Die Siebenbürger Sachsen konnten ihre Geschichte nicht mehr als aktiv Handelnde bestimmen, sie fühlten sich während des Kommunismus in ihrer Gruppenexistenz bedroht und in ihrem Gerechtigkeitssinn verletzt, als sie schrittweise, jeder für sich, den Weg in die Freiheit wählten. Nach 1941, als in Brenndorf 1.400 Sachsen lebten, nahm ihre Zahl kontinuierlich ab, 1976 waren es tausend Seelen, 1985 800 Seelen, 1992 noch 195, heute zählt die evangelische Kirchengemeinde Brenndorf 43 Seelen, davon 19 bei der Zuckerfabrik.

 

Beispielhaft für das positive Verhältnis der rumänischen Bevölkerung zum siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbe sei Ovidiu Teodor Creţu, der seit zehn Jahren Bürgermeister der Stadt Bistritz ist, zitiert. Es sei wichtig, die Geschichte, das geistige Erbe, die Zivilisation der Siebenbürger Sachsen zu kennen, um sie auch leben zu können. Die heutigen Bewohner der Stadt Bistritz sind nach Creţus Ansicht „die Erben der siebenbürgisch-sächsischen Kultur und Zivilisation“.

„So haben sich mir ungeahnte Eindrücke gefestigt, über die jahrhundertalte sächsische Zivilisation in Bistritz und Umgebung. Je mehr ich erfahren habe, umso mehr wuchs meine Achtung, Anerkennung und Sympathie für jene die:

●  in unserer Stadt eine besondere, dynamische, fortschrittliche und herausragende Zivilisation  geschaffen haben

●  die eine wunderschöne, wertvolle Altstadt mit Häusern, Kirchen und Schulen uns als Erbe hinterlassen haben

●  uns die Philosophie einer aktiven, sauberen und geordneten, auf der Grundlage von Kultur und Bildung beruhenden Lebensweise vermittelt haben“, so Ovidiu Teodor Creţu.

 

Wir stehen heute hier und verneigen uns vor unseren Vorfahren, vor unseren Eltern, den Mitmenschen, der Kirche, den Straßen und Häusern in Brenndorf, die unser Leben geprägt haben. Was ist Heimat, fragen wir uns. Was ist aus dem geworden, was fleißige Menschenhand hier über Jahrhunderte aufgebaut hat? Unsere Gedanken schweifen und finden einen Halt: Die Heimat sind wir selbst, Heimat sind die vielen Menschen, die uns auf unserem Lebensweg begleitet haben. Heimat ist die Essenz dessen, was wir sind. Wir sind aufgerufen, unsere Gemeinschaft weiterzupflegen und mitzuhelfen, dass unsere Gemeinschaft und unser Heimatort Brenndorf weiter gedeihen.

Siegbert Bruss