Aus dem Archiv der Zuckerfabrik Brenndorf in der Zwischenkriegszeit, Teil 1

Schreiben der Konservenfabrik „G. Heinz’s Nachf. Carl Albrecht“ an die Zuckerfabrik Brenndorf, 1919

Im Zuge eines glücklichen Zufalls anlässlich systematischer Recherchen über die industrielle Entwicklung Hermannstadts stießen wir auf einige Aktenstücke aus dem Archiv der Zuckerfabrik Brenndorf, die in ungeklärten Umständen in Privatbesitz gelangt sind, um auf Trödelmärkten veräußert zu werden. Sie datieren aus dem Zeitraum 1918-1944 und setzen sich zusammen aus Angeboten, Aufträgen, Lieferscheinen, Rechnungen, Mahnungen u. dgl. diverser bekannter Großfirmen aus Hermannstadt bzw. von der Maschinenabteilung des siebenbürgisch-sächsischen Landwirtschaftsvereins (Großhandel für technische Bedarfsmittel).

Die Aktenstücke beziehen sich auf die Erneuerung der technischen Ausgestaltung der Fabrik und belegen eindeutig, dass der Standort Brenndorf nach dem Ersten Weltkrieg, vor allem in der ersten Hälfte des dritten und im vierten Jahrzehnt an Bedeutung gewann. Wie aus den Schriftstücken hervorgeht, müssen auch einige Betriebshallenerweiterungen stattgefunden haben. Eine nachweisbare Baumaßnahme fand 1926 statt, als bei der Firma „Gebrüder Fabritius“ (Eisenkonstruktionen, Apparatebau und Dampfkesselfabrik) in Hermannstadt 14 Stück Dachbinder von 20 und 30 m Spannweite bestellt wurden. Nach diesen Angaben musste es ein größerer Zweckbau gewesen sein.

Schon im April 1921 hatte die „Botfaluer Filiale der ungarischen Zuckerindustrie“ bei dieser Firma (laut vorgegebener Skizze) „gegen den Boden etwas konisch“ zulaufende, innen verzinnte Kupferkessel in einer Ausfertigung von ca. 10 Kilogramm Stückgewicht bestellt.

Per Zufall erhalten geblieben ist auch eine Bestellung, aus der ersichtlich ist, dass im Jahre 1925 auch Stutzen ersetzt werden mussten, was aus folgendem Schreiben hervorgeht: „.... beide Stutzen heute angekommen. Da die alten Stutzen jedoch geschweißt sind und wir nur genietete Stutzen machen können, ersuchen wir Sie, uns Ihr Einverständnis bekannt geben zu wollen“.

Leider geht aus dem Schreiben der Firma „Gebr. Fabritius“ vom 26. Mai 1928 nicht hervor, wofür die „80-85 Stück schmiedeeiserne Maste“ erforderlich waren, die von der Zuckerfabrik bestellt wurden: Am 23. April 1927 wurden „Kesselschmieden“ in Auftrag gegeben, die von Monteuren und Hilfsarbeitern installiert werden sollten, die die Firma „Gebr. Fabritius“ nach Brenndorf entsandte.

Die Zuckerfabrik in Brenndorf erscheint als Auftragsgeber auch 1933, aber erst nachdem sie sich umsichtig erkundigte, inwiefern die Firma „Gebrüder Fabritius“ in dem neuen politischen Umfeld ein vertrauenswürdiger Partner geblieben sei, was aus folgendem Schreiben  hervorgeht: „P. T. Wir machen nun schon wiederholt die Wahrnehmung, dass unsere Fabrik mit der hiesigen Selbsthilfe und Nationalsozialistischen Bewegung in Verbindung gebracht wird und teilen darum höfl(ich) mit, dass wir weder mit der obigen Bewegung noch mit dem Leiter derselben in irgend welcher Beziehung stehen“ (Sibiu-Hermannstadt, im Juni 1933).

Reklame des Riemen-Verbinde Apparates Trumpf

Einer der wichtigsten Zulieferer für die technische Ausstattung der Zuckerfabrik war die im Jahr 1896 gegründete „Erste Waagenfabrik Rumäniens“ Victor Hess (nach der Nationalisierung „Balanţa“) in Hermannstadt. Dieses geht aus einer Statistik (Referenzliste) der Firma „Hess“ hervor, und zwar folgte die Zuckerfabrik Brenndorf mit 26 angekauften Waagen jener aus Giurgiu (mit 38) und Roman (mit 27). In der Zuckerfabrik von Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureş) waren in der Zeit jeweils 25 und in der von Chitila 14 Waagen in Betrieb.

Erwartungsgemäß war die Fabrik in Brenndorf, wie aus dem Angebot vom 29. April 1929 hervorgeht, auf die Waggon-Brückenwaagen angewiesen, die wunschgemäß zweckentsprechend abgeändert werden konnten. So heißt es im Angebot „Diverse Wägemittel“ vom 21. Mai 1930: „Die herannahende Saison fordert von Ihnen zweckmäßige und billige Anschaffung von Wiegeapparaten, die den Ein- und Ausgang Ihrer Waren genauestens kontrollieren können. Hierzu benötigen Sie nur erprobte und durchaus zuverlässige Wägemittel. Unser Unternehmen besitzt im Bau von Wiegeapparaten Erfahrung von Jahrzehnten und versieht nachweislich 80% der inländischen Industrie, namentlich die Zuckerfabriken mit Waagen, was wohl den besten Beweis unserer Leistungsfähigkeit und der überall anerkannten Qualität unserer Erzeugnisse bedeutet.“

Schon knapp ein Jahr darauf, am 13. März 1931, macht die Firma „Hess“ der Zuckerfabrik in Brenndorf folgende Mitteilung: „Wir haben soeben die Neukonstruktion eines moderneren Wägemittels, das sich besonders für Zuckerfabriken eignet, beendigt und erlauben uns, auch Sie auf diese Neuigkeit aufmerksam zu machen. Es handelt sich um sogenannte Plus-Minus-Waagen, die sich vorzüglich zum Verwiegen von Säcken eignen und die sofort anzeigen, ob das Sollgewicht der Ware über- oder unterschritten wurde. Das genaue Sollgewicht kann auf einem Laufgewichtsbalken, der in einem versperrbaren Kasten eingebaut ist, eingestellt werden, das Über- oder Untergewicht wird dann automatisch an einer Neigungswaage angezeigt. Diese automatische Anzeige ist außerordentlich übersichtlich, so dass mit einem Blick die Menge des Über- oder Untergewichtes festgestellt werden kann und die Füllung von den Säcken bedeutend weniger Zeit beansprucht als bisher.“

Aus den erhalten gebliebenen Akten ist zu entnehmen, dass die Zuckerfabrik von der „Ersten Waagenfabrik Rumäniens Victor Hess“ auch andere Dienstleistungen ausführen ließ. Aus dem Begleitschreiben einer Faktura im Wert von 800 Lei vom 13. Juli 1935 geht hervor, dass bei der Hermannstädter Firma eine neue Teilung (Skalierung) eines Wiegebalkens mit einer „automatischen Spezialmaschine“ eingeritzt wurde.

Die Zuckerproduktion scheint noch am Ende des Zweiten Weltkriegs reibungslos vonstatten gegangen sein, wie aus der Lieferung von „2 Stk. Pendelständer Mod. 18 für Brückenwaagen von 4.000 kg“ vom 21. Juli 1944 ersichtlich ist, für die die Firma „Hess“  7.675 Lei in Rechnung stellte. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass schon beim Ausbruch des Krieges (1941) mehrere neue Brückenwaagen angeschafft worden waren.

Für die Beschaffung des erforderlichen Arbeitsgerätes wandte sich die Zuckerfabrik  Brenndorf gelegentlich auch an die „Maschinen-Abteilung des siebenbürgisch-sächsischen Landwirtschaftsvereins“ mit Sitz in Hermannstadt, Salzgasse Nr. 22. Dieser Verein unterbreitete der Zuckerfabrik am 15. Februar 1929 ein günstiges Angebot von geschliffenen Rübenhauen, die in der Ausfertigung von 60-90 Dekagramm bestellt wurde, „in der Annahme, dass für die heurige Saison ein Quantum Rübenhauen benötigt werden“.

Die „Maschinen-Abteilung“, die landwirtschaftliche Maschinen, Geräte und technische Artikel für die Gesamtindustrie lieferte, empfahl der Zuckerfabrik am 24. September 1931 als  einmalige Anschaffung den modernen „Riemen-Verbindungsapparat ,Trumpf’“, mit Hilfe dessen „die Verbindung der Riemenenden mit einem sehr geringen Zeitaufwand geschieht, trotzdem sehr solid und dauerhaft ist und dabei nichts kostet, weil der galvanisierte Eisendraht ja sehr billig ist“. Aus den vorhandenen Akten ist für uns nicht nachzuvollziehen, ob sich die Fabrikleitung für diese Anschaffung entschieden hat, obwohl man bereit war, den Apparat auf Probe zu liefern und anstandslos zurückzunehmen, falls er sich nicht bewähren sollte (siehe Abb. Reklame).

Schreiben der „Gebr. Fabritius“ in Hermannstadt aus dem Jahr 1926 an die Zuckerfabrik Brenndorf.

Einige Aktenstücke, auf die wir per Zufall gestoßen sind, bieten neue Erkenntnisse über einen der wichtigsten Kunden (Konsumenten) der Zuckerfabrik A. G. Botfalu, die ab 7. März 1940 den Namen „Indumin“ führte. Dieser war Carl Albrecht aus Hermannstadt, der 1902 einen der größten Industriebetriebe Hermannstadts gründete, und zwar eine Molkerei für die Erzeugung von erstklassigem Schafkäse, der unter der Bezeichnung „Szeklerkäse“ bis nach Wien und Budapest guten Absatz fand. Dem Molkereibetrieb wurden im Laufe der Jahre einige verwandte Produktionszweige angegliedert. 1914 kam die Erzeugung von Kaffeekonserven hinzu, 1921 wurden eine Mühle und eine Waffelfabrik errichtet, 1925 regte Carl Albrecht die Gründung der „Orlatith“-Kunsthornfabrik an, indem er sich an dem Unternehmen maßgebend beteiligte.

Für die Erzeugung von Kaffeekonserven in der „Militärkonservenfabrik G. Heinz’s Nachf. Carl Albrecht“ in Hermannstadt waren große Mengen von Zucker erforderlich, die ausschließlich in Brenndorf bestellt wurden. Das dürfte schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs der Fall gewesen sein, obwohl wir den geschäftlichen Schriftverkehr erst ab dem 26. März 1918 nachverfolgen können. So bestätigte die Firma Carl Albrecht, „den Empfang von K(ronen) 117,20 für die am 8. d. M. retournierten 300 Stück leeren Zuckersäcke“ an die „Löbliche Zuckerfabrik in Botfalu“. Daraus wird ersichtlich, dass die Konservenfabrik ein großer Verbraucher von Zucker war, der zur Erzeugung von Kaffeekonserven verwendet wurde. Die später „Lebensmittel Industrie Carl Albrecht“ (kurz:  LICA) genannte Fabrik fragte am 11. Januar 1919 nach, ob die Zuckerfabrik „in der Lage wäre …, einige Waggons Rohzucker zu liefern“.

Für den Transport wurden in der Regel Zuckerkisten verwendet, die die Firma Carl Albrecht in diesem Fall selbst zur Verfügung stellte. Im Monat Juli 1920 wurde eine Mustersendung von zwei Waggons zu ca. 4.000 Stück solcher Zuckerkisten im vereinbarten Preis von Kr. 26 pro Stück in Erzeugung gegeben. In der Hoffnung, dass diese Mustersendung den Ansprüchen der Zuckerfabrik entspreche, wurde eine mustergetreue „Bestellung von ca. 40.000 Stk. für die heurige Campagne“ zugesagt. Der Rohzucker wurde in der Regel waggonweise geliefert, wie auch aus den Bestellungen vom 3. Oktober 1921 und 5. Juli 1923 hervorgeht. Die monatliche Abnahme von Kristallzucker, der für die Erzeugung des „Kriegskaffees“ diente, betrug wie aus einem Schreiben der Firma LICA vom 21. Dezember 1925 ersichtlich ist, vier bis sechs Waggon.

Mit dem erläuternden Wortlaut dieser Mitteilung schließe ich  diesen anspruchslosen Beitrag zur Geschichte der Zuckerfabrik Brenndorf in der Zwischenkriegszeit: „Zur Offertstellung von aus Kristallzucker erzeugtem Kriegskaffee an das Aerar ersuche ich Sie (die Leitung der Zuckerfabrik), mir ein für die Übernahme unverbindliches, zur Lieferung jedoch verpflichtendes Offert zu festen Preisen auf monatliche 4-6 Waggon á 10.000 kg erwähnter Zuckersorte stellen zu wollen, mit Bekanntgabe der genauen Konditionen. Das Offert soll sich auf 6 Monate erstrecken, das wäre also ab Jänner bis einschließlich Juni 1926. Orientierungshalber gebe ich Ihnen bekannt, dass ich Kriegskaffee (Konservenkaffee) schon seit vielen Jahren für das 7. Corp *** liefere und soll ich nun einen neuen Vertrag mit genanntem Corp eingehen, welcher auf längere Frist lauten soll. Infolgedessen ist der Zuckerpreis hierbei von großer Wichtigkeit, denn dieser Kaffee wird zu großem Teile aus Zucker erzeugt. Nachdem aber das Aerar die Bezüge nicht allmonatlich tätigt, sondern mitunter für mehrere Monate ausreichend, so könnte ich mich zur ständigen Abnahme von 4-6 Waggon monatlich auch nicht verpflichten, wogegen ich Ihrerseits die Zustimmung haben müsste, dass Sie mir im Bedarfsfalle erwähntes Quantum auch ständig liefern würden.. . . Hochachtungsvoll LICA Lebensmittelindustrie Carl Albrecht (mit Unterschrift).“

Schreiben der „Hess“-Fabrik in Hermannstadt aus dem Jahr 1944 an die Zuckerfabrik Brenndorf.

Mit Bedauern müssen wir immer öfters feststellen, dass die Zahl der aus dem Archiv der Zuckerfabrik entwendeten Akten auffällig groß ist, da solche immer wieder in den Verkaufsportalen im Internet angeboten werden.

Um bloß einige Beispiele anzuführen: Die Nachfrage der Kronstädter Papierstoff-Fabrik A. G. mit  Sitz in Zernescht (Zărneşti) vom 19. Januar 1921, ob die Zuckerfabrik ihr ein 160 Meter langes Transmissionsseil zur Verfügung stellen könnte oder die Auftragsbestätigung der Seilwarenfabrik Carl Stürner in Hermannstadt vom 18. Juni 1921 für die von der „Ungarischen Zuckerfabrik A. G. Botfalu“ bestellten 60 cm breiten Gurte im Gesamtgewicht von 262 kg.

Drei für die Zuckerherstellung besonders aussagekräftige Dokumente stammen vom 16. Juli 1917, 3. März 1922 und 16. September 1923 und sind mit dem Briefkopf „M. Samuel Rubinstein – Spiritusfreilager“ versehen. Diese „Erste Hermannstädter Liqueur- und Spiritushandlung“ mit dem Hauptdepot in Kőbánya bei Budapest lieferte in großen Mengen Spodium an die Zuckerfabrik Brenndorf. Spodium oder Knochenkohle wurde in fein gepulvertem Zustand zur Entfärbung der Zuckermasse verwendet. Am 16. Juli 1917 waren es 188 Säcke mit insgesamt 10.150 kg; für die Campagne, die im September 1922 begonnen hatte, wurden „3 Waggon Spodium, Körnung I zum Preis von 300 Lei per Mtz“ angefordert und für die Campagne im September 1923, wurde schon ein weiterer Waggon Spodium vorbestellt. Die Abrechnungen mit der Knochenzentrale A. G. in Budapest erfolgte über die Bodenkreditanstalt in Hermannstadt.

Was die Nachrüstung der Zuckerfabrik mit diversen Werkstoffen betrifft, ist auch ein Angebot der Firma Julius Teutsch (Erste Kronstädter Maschinenfabrik und Eisengießerei) vom 20. Dezember 1939 aufgetaucht, das 240 Stück Messingrohre (12 x 14 x 1900 Zoll); oder 120 Messingrohre mit dem Innendurchmesser 11 und Außendurchmesser 13 Zoll, in der Fabrikationslänge von 4-4,5 m zum Gegenstand hatte. Die im Jahre 1833 gegründete Kronstädter Firma erzeugte u. a. Transmissionsanlagen, Pumpen, Eisenkonstruktionen, Bau und Reparatur von Industriemaschinen und führte schon Elektroschweißungen durch.

Die k.u.k. 7. Armee war ein Großverband der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg. Der Armeeoberkommando 7 ging Anfang Mai 1915 direkt aus der Armeegruppe Pflanzer-Baltin hervor und war von der Aufstellung bis zur Auflösung im April 1918 ausschließlich an der Ostfront eingesetzt. Im Oktober 1915 unterstanden der 7. Armee 106,5 Bataillone, 13.680 Reiter und 375 Geschütze, gegliedert in fünf Korpsgruppen.

Das Abhandenkommen einer schwer abschätzbaren Zahl von Akten aus dem Archiv der Zuckerfabrik Brenndorf unter nebulösen Umständen, vermutlich kurz nach der Wende, ist ein unersetzbarer Verlust für die Erforschung mit Bezug auf die Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Lebensmittelindustrie. Das ist auch auf die Unachtsamkeit der Kreisamtes Kronstadt des Rumänischen Nationalarchivs (Serviciul Judeţean Braşov al Arhivelor Naţionale) zurückzuführen, das für die Übernahme der Betriebsarchive  verantwortlich ist.

Die oben angeführten Beispiele „aufgetauchter“ Aktenstücke aus dem Archiv der Zuckerfabrik enthalten relevante Hinweise für die Forschung über erforderliche Rohstoffe, Baumaßnahmen, technische Spezialausrüstungen und diverse Instandsetzungsarbeiten.

Diese Angaben ergänzen die Veröffentlichungen über die Zuckerfabrik Brenndorf, namentlich die Buchreihe „Vorindustrielles und industrielles Kulturerbe in Rumänien“ (Patrimoniu preindustrial şi industrial în România“ (Band III, 2012, S. 284-288), die Briefe aus Brenndorf, Folge 78, 2014, S. 2-7, und „Rückblick auf einen Wirtschaftszweig mit Tradition im Burzenland“ von Karl-Heinz Brenndörfer, Karpatenrundschau vom 31. März, 7. April, 14. April und 21. April 2022.

Dr. Volker Wollmann

 

Aus dem Archiv der Zuckerfabrik Brenndorf in der Zwischenkriegszeit, Teil 2

Die im Jahr 1921 umgebaute Schokoladenfabrik „Hess“ in Kronstadt. Foto: Oskar Netoliczka

Nach der Veröffentlichung einer Reihe von Aktenstücken aus dem Archiv der Zuckerfabrik in den Briefen aus Brenndorf, Folge 93/2022, S. 16-21, stießen wir per Zufall auf weitere Dokumente, die in Privatbesitz gelangten. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Zahl der gleich nach der Wende abhanden gekommenen Schriftstücke sehr groß gewesen sein muss und noch mit ähnlichen Überraschungen zu rechnen ist. Im Unterschied zu den veröffentlichten Aktenstücken bezieht sich der hier zu behandelnde Briefwechsel mit diversen Firmen nicht primär auf Baumaßnahmen und auf die Erneuerung der technischen Ausstattung der Zuckerfabrik, sondern auf den Absatz ihrer Produkte, die Beschaffung von Rohstoffen und die Verwaltung der Flächen, die den Zuckerrübenanbauern zugeteilt wurden.

Das Archivmaterial stammt aus dem Zeitaum 1917 bis 1929 und setzt sich zusammen aus Angeboten, Aufträgen, Lieferscheinen, Rechnungen und Mahnungen.

Erwartungsgemäß hatte die Zuckerfabrik sehr enge geschäftliche Beziehungen zur „Ersten Siebenbürgischen Kanditen- und Schokoladenfabrik A.G.“, die 1899 als „Komandit-Gesellschaft Thieß & Seidel“ in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Aus einem am 15. Mai 1917 an die Zuckerfabrik gerichteten Schreiben geht hervor, dass es wegen fehlenden Anweisungen aus Budapest zu Engpässen in der Kristallzuckerlieferung kam und die Arbeit in der Kronstädter Kanditen- und Schokoladenfabrik ruhte. Einem Schreiben vom 31. August zufolge konnten 50 Meter-Zentner Kristallzucker nicht geliefert werden, da ein Transporteur ausgefallen war. Am 27. Dezember 1917 konnte dann die von der Zuckerzentrale für die Kronstädter „Bombons“-Fabrik zugeteilte Menge von 100 Zentnern Kristallzucker den Transporteuren übergeben werden.

Für diese Lieferung musste die „Erste Siebenbürgische Kanditen- und Schokoladefabrik“ bei der Kronstädter Filiale der Allgemeinen Ungarischen Kreditbank eine Garantie von 1200 (ungarischen) Kronen hinterlegen. Das Pfand für die Säcke, in denen der Zucker geliefert wurde, war Gegenstand eines regen Briefverkehrs zwischen den beiden Fabriken.

Am 23. Januar 1918 teilte das Kronstädter Unternehmen der Zuckerfabrik Brenndorf mit, dass für die am 27. des vorigen Monats geschickten Säcke ein Pfand von 1500 Kronen an die dortige Kreditbank eingezahlt wurde, die leeren Säcke wurden am 17. des Monats zurückgeschickt. Wenn gewünscht wird, dass für die neu zugeteilte Zuckermenge notwendigen Säcke 1200 oder 1500 Kronen erneut als Pfand gezahlt werden, soll die Firma dieses mitteilen und die Summe bei der Bank hinterlegen, aber deswegen sollte der Versand der Bestellung nicht verspäten.

„Erste Siebenbürgische Kanditen- und Schokoladefabrik A. G.“, Briefkopf aus dem Jahr 1918

In einem am 18. Februar 1918 an die Brenndorfer Zuckerfabrik gerichteten Schreiben heißt es: „Wir bestätigen hiermit den Empfang der 1008 Kronen für die 63 Säcke, mit dem Angebot, die zur Verfügung gestellten 79 Säcke abzukaufen, und wenn nicht, dann sollen diese mit dem Pferdewagen der Boder (also Brenndorfer) Gesellschaft zum dortigen Büro geschickt werden.“

Diese Aktenstücke sind mit einem besonders aussagekräftigen Briefkopf versehen, der insofern von dokumentarischen Wert ist, als diese Industrieanlage in dieser Form weniger bekannt ist, da die „Erste Siebenbürgische Kanditen- und Schokoladefabrik A. G.“ im Jahr 1921 umgebaut wurde (siehe Abbildung).

Ein Konvolut von Aktenstücken enthält die Korrespondenz der „Moskovits Industrieanlagen A. G.“ aus Großwardein (Stabilementele Industriale Moskovits Soc. An. Oradea – Moskovits Ipartelepek Nagyvárad R. T.) (Abb. Briefkopf) mit der Zuckerfabrik Brenndorf. Es handelt sich um die von Adolf  Moskovits im Jahr 1876 gegründete Spiritus- und Hefefabrik, ein großes industrielles Anwesen von über 4000 Quadratmetern, auf dem 8 Betriebshallen, 12 Ställe und 4 Silos standen. 1889 kam auch eine Abteilung für Essigherstellung hinzu, die  täglich 2.000 Liter Essig produzierte.

Die Aktenstücke stammen aus dem Zeitraum 25. März 1925 – 5. Apil 1927 und beziehen sich ausschießlich auf die Lieferung von Melasse an die Spiritusfabrik in Großwardein, und zwar in großen Mengen, wie aus dem Briefwechsel ersichtlich ist. Aus dem Schreiben vom 25. März 1925 geht hervor, dass zwei Zisternen Melasse aus der Zuckerfabrik abtransportiert wurden und die Rechnungen durch die Allgemeine Ungarische Kreditbank, Zweigstelle Kronstadt, abgewickelt wurden.

In einem Widerspruchschreiben der Moskovits Industrieanlagen vom 4. Mai 1926 heißt es,  dass bei der Umsetzung des Vertrags zwischen den beiden Unternehmen eine achttägige Frist abgelaufen sei. Es handelte sich um die am 30. April abgelaufene Frist der Übernahme von 28.180 kg Sirup, die in Brenndorf bestellt wurden. Es wird auf den Paragraphen 354 des Handelsgesetzbuches verwiesen, wonach je nach der Natur des Geschäftes für die nachträgliche Erfüllung die Frist von der anderen Partei genehmigt werden muss. Da in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Transportmittel die Übernahme des Sirups unmöglich ist, wird  gebeten, die beantragte einmonatige Frist zu gewähren.

Die Lieferung von Sirupsaft war auch Gegenstand eines Schreibens der Großwardeiner Industrieanlagen an die Zuckerfabrik Brenndorf, in dem der von den Budapester Behörden genehmigte Preis pro Quintal (q) des Brenndorfer Sirupsaftes festgesetzt wurde, und zwar auf 292,90 Lei bei einem Polarisationsgrad von 50%, und auf derselben Basis beträgt der Preis des Neumarkter Sirupsaftes 287,85 Lei. Es wird um die Einsendung des Schuldbriefes gebeten (Abb.  Faksimile in ungarischer Sprache).

Wiederaufbau der Hauptbetriebshalle der Zuckerfabrik Brenndorf, die beim Erbeben vom 19. November 1941 zerstört wurde.

Unter diesen Bedingungen kauften die Moskovits Industrieanlagen im Dezember 1926 5-6.000 Quintal Sirup auf der Basis einer Polarisation von 50% mit einer sukzessiven Abrufung bis Ende März 1927, zu den festgesetzten Preisen für Brenndorf und Neumarkt, mittels Barzahlung durch die Kronstädter Zweigstelle der Allgemeinen Ungarischen Kreditbank. Der Käufer ist verpflichtet, den Sirup zu transportieren und seine eigenen Behältnisse ohne Gebühr der Fabrik zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der Entnahme der Stichproben aus dem Sirup von Brenndorf werden die am 12. November 1926 festgelegten Bedingungen ohne Änderungen angenommen; in Neumarkt soll die Entnahme der Probe auf übliche Weise geschehen, d. h. der Delegierte wird aus jeder Zisterne eine versiegelte Probe in Anwesenheit eines Vertreters der Fabriksleitung aus Neumarkt, entnehmen.

Weitere Einzelheiten über die Lieferung des Sirupsaftes gehen aus dem Schreiben vom 5. April 1927 hervor, in dem Moskovits Industrieanlagen der Zuckerfabrik in Brenndorf mitteilt, dass im Sinne des Budapester Abkommens 50-60 Waggon (Zisternen), die Hälfte von der Brenndorfer, die andere Hälfte von der Neumarkter Zuckerfabrik gekauft wurden. Von Brenndorf müssen 25-30 Waggon übernommen werden, bis jetzt waren es 26,5.

Ein anderer Abnehmer von Melasse war die „Kronstädter Papierstoff-Fabriks-Actien Gesellschaft“ mit Sitz in Zernen/Zernescht (Zărneşti). In einem Schreiben vom 17. April 1917 bestellte sie 25 Meterzentner Melasse von der Zuckerfabrik Brenndorf („Botfalver Fabriksleitung der Ungarischen Zuckerindustrie A.G.“). Im Gegenzug stellte die Zerneschter Papierfabrik der Zuckerfabrik Staubkohle zur Verfügung, die bei der Zuckerherstellung erforderlich war. Als Ersatz für diese Lieferungen hatte die Zuckerfabrik 22 Waggon „Köpetzer Kohle“ angeboten, worunter Steinkohle zu verstehen ist.

Die Papierfabrik erscheint in mehreren Schriftstücken auch als Abnehmer von „Crystall-Zucker“, und zwar am 21. Dezember 1918 von 700 kg und am 18. März 1919 von 200 kg. In  dieser zweiten Bestellung finden wir folgenden Hinweis: „nachdem diese Menge für unsere Beamten und Angestellten bestimmt ist, (soll) eine bessere Qualität, als zum letztenmal geliefert“ werden.

Ein weiters Konvolut von Aktenstücken enthält den Briefwechsel zwischen der Baumschule der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Mediasch und der Zuckerfabrik in Brenndorf. In den Briefen vom 5. und 14. April 1926 erscheint die Zuckerfabrik als Abnehmer von Akaziensetzlingen, und zwar 100 Stück, die 2,5-3 Meter hoch waren.

Andereseits bestellte die Mediascher Landwirtschaftliche Lehranstalt am 10. April 1926 bei der Brenndorfer Fabrik  24,50 q Zuckerrübensamen, die in 49 Säcken geliefert wurden und laut einer Verteilerliste an die Rübenbauer zugestellt wurden.

Einige Produzenten aus der Umgebung von Mediasch äußerten gegenüber der Zuckerfabrik die Beschwerde, es sei ihnen nicht die vorjährige Fläche zugesprochen worden, und zwar in einigen Fällen anstatt 11 Joch nur 9, anstatt 6 nur 4 Joch oder anstatt 4 nur 2 Joch.

Am 6. August 1926 bestellte die Siebenbürgisch-Sächsische Landwirtschaftliche Lehranstalt in Mediasch 200 kg Kristallzucker, zum „Einsieden“.

Laboratorium der Zuckerfabrik Brenndorf, rechts Anna Tyercha geb. Vitecek. Auf dem Bild sind einige der 1929 bestellten Utensilien zu erkennen.

Am 7. November 1926 teilt der Direktor der Siebenbürgisch-Sächsischen Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Mediasch Pitz Herbert der Zuckerfabriksdirektion mit: „das die folgenden Rübeproduzenten ihre Schnitte an den Burzenländer Rübenbauernverband zu Händen des Ortsrichters von Heldsdorf  Hans Nikolaus verkauft haben und ersucht diese Schnitte auszufolgen: Carl Roth, Theil Erhard, Rampelt Hans, Binder Erhard, Binder Gerhard, Hermann Gustav, Sturm Johann, Draaser Andreas und Landw. Lehranstalt. Die Schnittzettel hat Herr Nikolaus erhalten“.

Am 9. Dezember 1926 wendet sich Pitz Herbert im Namen der Mediascher Zuckerrübenbauer an die Leitung der Zuckerfabrik mit der Frage, wann der fixe Minimalpreis für Zukerrübe ausgezahlt wird, da die Produzenten sehr dringend Geld benötigen.

Als letztes Schriftstück mit engem Bezug zur Zuckerherstellung sei das Preisangebot der Firma „Erdély és Szabó“ in Budapest, die Laborbedarf Fachhandel betrieb, erwähnt. Diese Aufstellung vom 18. Januar 1929 ist insofern relevant, als es zwei Fotos vom Laboratorium der Zuckerfabrik Brenndorf aus dieser Zeit gibt, auf denen man einige der bestellten Utensilien erkennen kann (siehe Abbildung).

Diese Bestellung setzt sich wie folgt zusammen:

20 Stk. Polarisationskolben nach Stift, mit konischem Hals mit 2 Marken 200 cm3 und 201,5 cm3 ganz genau kalibriert bei 17,5° Celsius

15 Stk. Cylinderthermometer mit Papierskala, geteilt von 0- 100° C

2 Stk. Tafelwaagegewichtsätze / größeres Gewicht 200 g

10 Mtr. Gummischlauch 8 mm äußerer Durchmesser

Je 20 Stk. Suberitstopfen / statt Korkstopfen: 0.90, 1,20, 1,30, 2.40, 4,50, 10, 12, 15 20, 25 mm

4 Stk. Fettstifte rot für Glas

12 Stk. Filtrierstutzen aus starkem Glas 1 Ltr.

12  Stk. detto  2 Ltr.

10 Stk. Bechergläser aus Zsolnaer Glas nach Criffin 400 cm3

10 Stk. detto 600 cm3

Die hier veröffentlichten Aktenstücke aus dem Zeitraum 1917 bis 1929 verdeutlichen, dass die Zuckerfabrik Brenndorf ein solides wirtschaftliches Unternehmen war und in regem Austausch mit zahlreichen Geschäftspartnern stand.

Dr. Volker Wollmann