Die Pfingstbotschaft neu

Gedanken über die Bedeutung der Frauen in der Kirche

Zu Ostern hatte es begonnen: Der Ruf: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden", sollte alles verändern. Es waren Frauen, die ursprünglich zu den ersten Zeuginnen des Ostergeschehens und zu den Keimzellen der ersten Gemeinden gehörten; und auf die auch dieser Osterruf zurückgeht. Nur was ist in der ersten Kirche aus den Zeuginnen geworden? Paulus erwähnt in seinem 1. Brief an die Korinther jede Menge männlicher Zeugen, aber keine einzige Frau. Im Pfingstbericht ist durchgehend von Männern die Rede, die vom Heiligen Geist erfüllt wurden. Was war mit den Frauen? Spärlich sind auch die Berichte über Frauen in den anderen Schriften des Neuen Testaments. Paulus hat sich und der Kirche der ersten Jahrhunderte einen Bärendienst erwiesen mit der ganz unglücklichen Formulierung: Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in den Gemeindeversammlungen" (1. Kor. 14, 34). Was war mit den Frauen, die in Vergessenheit gerieten, wie z.B. Maria von Magdala?

Nachdem Papst Franziskus sie 2016 in den Stand der Apostola Apostolorum" erhob, und Maria von Magdala nun als erste Zeugin der Auferstehung (neben den Aposteln!) gilt, hat sich auch Hollywood ihrer angenommen.

Die Filmkritik stuft den Film Maria Magdalena" von Gareth Davis (mit Rooney Mara und Joaquin Phoenix in den Hauptrollen) zwar als veritablen Flop" ein (vermutlich weil er nicht ausreichend Geld in die Kassen gespült hat), aber ich finde ihn in der Reihe der filmischen Aufbereitungen um die Zeuginnen der ersten Kirche durchaus erwähnens- und sehenswert.

Maria von Magdala wird als junge Frau dargestellt, die sich mit dem damaligen Rollenverständnis nicht abfinden kann (ihre Brüder und ihr Vater suchen für sie den Mann aus; nur als verheiratete Frau würde sie den Schutz ihrer Familie genießen). Nach der Begegnung mit Jesus bricht sie aus der Familie aus und schließt sich ihm an. Für die damalige Zeit ist das ein Bruch mit allen denkbaren Konventionen; und für den Umgang im Kreise der Jünger auch. Die Jünger werden sie nie richtig akzeptieren, und nach dem Tode Jesu wird sie mit dem Vorwurf des Petrus konfrontiert: Du hast uns geschwächt. Du hast den Meister geschwächt." Und als sie den Jüngern die Botschaft von der Auferstehung Jesu überbringt, ist es Petrus, der den Konflikt wieder thematisiert: Warum sollte er nur zu dir kommen?" In die Skepsis der Jünger hinein antwortet sie: Ich bleibe nicht hier und schweige. Ich werde gehört werden." Und sie trägt die Botschaft von der Auferstehung Jesu hinaus im Wissen um die Strahlkraft jenes Gleichnisses vom Senfkorn: Das Himmelreich wird sein wie ein Senfkorn. Ein einzelnes Senfkorn, das eine Frau nahm und in ihren Garten säte und es wuchs und wuchs; und die Vögel ließen sich in seinen Zweigen nieder."

Ich frage mich, was aus der Oster- und Pfingstbotschaft geworden wäre, wenn sie weiterhin in der Hand der Frauen geblieben wäre: vielleicht wesentlich mehr von der Umsetzung jener ursprünglichen Botschaft vom Reich Gottes, wie Jesus sie verstanden hatte: Maria von Magdala bringt sie so auf den Punkt: Das Himmelreich ist nicht etwas, das wir sehen, nicht mit den Augen. Es wird nicht erbaut mit dem Schüren von Konflikten, nicht mit Widerstand, nicht mit Zerstörung. Es wirkt mit uns, mit jedem Akt der Nächstenliebe, der Fürsorge und Vergebung. Wir haben die Macht, den Menschen Hoffnung zu geben… Die Welt wird sich nur ändern, wenn wir uns ändern."

Wenn man so will: die Pfingstbotschaft neu für unsere Zeit, für unsere Welt?

Wie hätte sich der Bericht über die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten angehört, wenn nicht Petrus, sondern eine der ersten Jüngerinnen den Anwesenden das Geschehen erklärt hätte?

Das Gleichnis vom Senfkorn in der Interpretation der Maria von Magdala bestätigt mir einmal mehr, was wir alle beobachten dürfen: Bis heute ist das Leben in den kirchlichen Gemeinden von der Mitarbeit der Frauen geprägt. Bis heute sind sie die wesentlichen Hoffnungsträgerinnen für die Botschaft von Gottes Liebe, die auch uns verwandeln will. Und ich wünsche uns, dass uns das erhalten bleibt: die Hoffnung in die Kraft des wachsenden Senfkorns und die Rückbesinnung auf die Akte der Nächstenliebe, der Fürsorge und der Vergebung.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes und Hoffnung machendes Pfingstfest.

Pfarrer Helmut Kramer