Otto Gliebe über das erste Treffen in der alten Heimat

Fleißige Helferinnen bereiteten die „Piltscher“ in der Sommerküche des Pfarrhauses vor. Foto: Hugo Thiess

Otto Gliebe, Ehrenvorsitzender der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“, hat sowohl an der Busreise durch Siebenbürgen als auch am ersten Heimattreffen in Brenndorf teilgenommen. Er schildert im Folgenden seine Eindrücke und stellt fest, wie sich das Burzenland in den letzten Jahren stark verändert hat.

 

Bei der Einweihung des Innenraumes der Brenndörfer Kirche im Dezember 2013 regte Bischof Reinhart Guib ein Heimattreffen in Brenndorf an. Dieser Vorschlag wurde ein Jahr später in einer Vorstandssitzung der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ besprochen und so organisierten wir, zusammen mit der evangelischen Kirchengemeinde Brenndorf unser erstes Heimattreffen am 6. und 7. August 2016 in Brenndorf. Der Vorschlag, einen Reisebus für die Senioren, die ihre alte Heimat noch einmal sehen wollen, zu organisieren, wurde vom Vorstand einstimmig beschlossen und so bekam das Reisebüro Werner Klusch in München für sein Angebot den Zuschlag. Die Anmeldungen für die Reise und das Kassieren der Unkosten übernahmen Astrid und Hans Thiess und innerhalb einiger Wochen wurden 36 Plätze reserviert. Die Kosten für diese Busreise wurden von Kirchenkurator Manfred Copony sehr preisgünstig kalkuliert und betrugen für die elftägige Reise mit Hin- und Rückfahrt, 8 Übernachtungmit Frühstück, 7 Abendessen, 5 Mittagessen (davon ein Lunchpaket für die Fahrt nach Sinaia) und Reiseführer 488 Euro. Nicht im Preis eingerechnet waren die Zahnradbahn zur Bauernburg in Rosenau und das Begegnungsfest in Brenndorf. Die Ausflüge waren so organisiert, dass wir immer um 9 Uhr morgens abfuhren und abends, 18 bis 19 Uhr, zum Abendessen in Brenndorf ankamen. Die Harmonie unter den Busreisenden war hervorragend. Man hat nie ein lautes Wort gehört und nur zufriedene Gesichter gesehen. In Honigberg übernachteten wir in einer Pension, einem renovierten Bauernhaus in der Petersbergergasse, welches zu einer Pension mit drei Etagen umfunktioniert worden war. Aus diesem Grund waren die Zimmer ganz verschieden, hatten aber jedes eine Dusche und WC. In der Früh konnte man schon um 7 Uhr frühstücken, so dass jeder Zeit hatte, sich bis zum Tagesausflug fertig zu machen.
Brenndorf hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Das habe ich schon am ersten Tag feststellen können. Alle Straßen in Brenndorf sind asphaltiert und die Gehsteige gut in Ordnung gehalten. Viele Häuser wurden umgebaut oder auch aufgestockt und sauber renoviert. Unsere Kirche sieht innen sehr gut aus, was man auch auf dem Foto des Heimatbriefes, Folge 80, sehen kann, ebenso der Kirchturm mit seinen Reparaturen und dem neuen Anstrich. Das Läuten der Glocken wurde mit dem Einbau einer automatischen Läutanlage bedeutend erleichtert und man benötigt nur noch einen Knopfdruck, um die gewünschte Läutart in Betrieb zu setzen. Der Kirchturm wird seit dem 6. August 2016 mit den Beleuchtungselementen, die unser Berliner Freund Johannes Weigel mitgebracht, selbst installiert und kostenlos der Kirchengemeinde überlassen hat, großartig beleuchtet. Die Beleuchtung wurde im Einvernehmen mit dem neugewählten Bürgermeister Sergiu Arsene an das Stromnetz der Gemeinde angeschlossen. Die politische Gemeinde übernimmt dankenswerterweise die Stromkosten, die täglich für die Turmbeleuchtung anfallen.
Was mir schon bei der Burzenbrücke aufgefallen ist, sind die vielen Neubauten bei der Zuckerfabrik, die neue orthodoxe Kirche ebenda und die vielen neuen Häuser vom Weidenbachkanal bis in die Gemeinde. Auf der Hill wurde oberhalb des orthodoxen Friedhofes, links und rechts der nach Petersberg führenden Straße, eine neue Siedlung gebaut. Ebenso wurden die nach Árapatak (Araci)führende Straße und auch die daneben liegenden Felder mit neuen Häusern bebaut. Auch die nach Honigberg führende Straße wurde beidseitig ausgebaut. Bei den Ställen von Fritz Rothenbächer ist eine weitere Siedlung entstanden, ebenso wurde eine kleine Siedlung am Scheidebach gebaut. Auf der linken Seite gegen den Alt zu stehen auch einige Häuser im Feld herum, ohne zu einer Siedlung zu gehören. Überall werden Baugrundstücke zum Kauf angeboten, auch dort, wo es keine Siedlungen gibt. Man hat den Eindruck, dass Kronstadt als eine der fünf größten Städte Rumäniens die Bevölkerung wie ein Magnet anzieht, so dass sehr viele hier leben möchten. Diese Tatsache führt dazu, dass die Ackerflächen im Burzenland immer mehr schrumpfen, was sehr bedauerlich ist, weil dadurch der gute Ackergrund des Burzenlandes als Baugrund verbraucht wird. Wohin man schaut, sieht man nicht mehr die einst schön gepflegten Rübenfelder, sondern nur noch große neue Straßen mit großen Kreiseln um Kronstadt herum, während auf den umliegenden Feldern meist nur noch Unkraut wächst.

Manfred Copony (rechts) führte die Brenndörfer Reisegruppe am 2. August durch die Kirchenburg Honigberg, links im Bild Otto Gliebe, der 1934 in Honigberg geboren wurde. Foto: Dietlinde Rhein

Am 1. August kamen wir gegen 16 Uhr in Brenndorf an und wurden vor dem Pfarrhaus von Manfred Copony und einigen jungen Brenndörfern, die mit dem eigenen Pkw angereist waren, herzlich begrüßt. Im Pfarrhof hatte Manfred eine schöne Laube aufgestellt, in welcher die ganze Busgesellschaft Platz fand und wo man die Erlebnisse des Tages nochmals mit den Tischnachbaren besprechen konnte. Jeden Abend wurden uns es ein gut zubereitetes Abendessen aufgetragen und Getränke zu einem sehr günstigen Preis angeboten. Die Unterhaltung zwischen den Gästen wollte manchmal kein Ende nehmen, so dass wir meistens um 21 Uhr Schluss machten, in den Bus stiegen und von diesem in unsere Pension nach Honigberg gebracht wurden. Der Busfahrer verabschiedete sich dann mit der Terminangabe „bis morgen früh um 9 Uhr“.
Mit unserem Bus unternahmen wir einige Fahrten in die bekannten siebenbürgischen Städte wie Hermannstadt, Schäßburg, mit einem Abstecher nach Deutsch-Weißkirch, wo wir von der 80-jährigen Sara Dootz eine ausführliche Aufklärung über die kleine Kirche und die gewaltige Burg bekamen und diese auch besichtigen konnten. Anschließend fanden wir einen reichlich gedeckten Tisch im Hof des Kirchenkurators vor und wurden gut verpflegt. Von hier ging die Reise weiter nach Schäßburg, wo es außer dem Stundturm, der Bergkirche, dem Gymnasium und dem schönen Friedhof noch vieles zu besichtigen gab.
Am Donnerstag war eine Reise nach Sinaia zur Sommerresidenz Schloss Peleș vorgesehen. Der Tag klang mit einem wunderbaren Konzert in der Schwarzen Kirche in Kronstadt aus, das der Organisten Hans Eckhart Schlandt bestritt. Der Freitag stand zur freien Verfügung. Das war eine gute Einteilung, denn viele hatten diesen Tagfürdie Grabpflege auf dem Friedhof verplant, andere hatten sich freiwillig für den Küchendienst gemeldet, denn am Samstag sollte, nach dem Gottesdienst und dem im Halbkreis eingenommenem Abendmahl, das große Fest im neurenovierten Gemeindesaal stattfinden. Bevor wir aber in den Saal gingen, wurden wir auf dem Kirchhof vom Jungen Bläserkreis Mecklenburg-Vorpommern, der auch den Gottesdienst musikalisch begleitet hatte, mit klassischen Volksliedern zu den aufgebauten Tischen eingeladen, auf denen es frischgebackenen Baumstriezel und Getränke gab. Die Leute unterhielten sich, und gegen 12.30 Uhr wurden wir aufgefordert, uns hinter der Petersberger Kapelle aufzustellen, um gemeinsam in den Gemeindesaal zu marschieren. Nach der Begrüßung durch Kirchenkurator Manfred Copony und dem gemeinsamen Singen des Siebenbürgenliedes kamen die jungen Frauen mit den Suppenschüsseln zu den Tischen und servierten die „Hochzeitssuppe“. Sie schmeckte wirklich wie auf einer Hochzeit. Anschließend brachten sie die Kartoffeln, das Rind- und Hühnerfleisch auf die Tische, wo die Zutaten Kompott und „Kren“ schon fast ausgelöffelt waren.
Nach dem Essen wurden wir vom neuen Brenndörfer Bürgermeister willkommen geheißen, und auch Siegbert Bruss begrüßte die Anwesenden im Namen der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ und wünschte allen Anwesenden ein gutes Gelingen dieses Festes. Nach einigen Ansprachen von geladenen Ehrengästen aus Kronstadtmachten wir uns gegen halb 4 Uhr auf zum Friedhof, wo das neue von Reinhardt Schuster (Bonn) entworfene und von Hans Schmidt (Berlin) zu seinem 100. Geburtstag gestiftete Heldendenkmal eingeweiht wurde. Das Denkmal ist den vielen in den beiden Weltkriegen gefallenen Brenndörfern und den Toten der Deportation in die Sowjetunion gewidmet. Die Petersberger Kapelle begleitete diese Einweihung mit Chorälen und Motetten und ein Solist spielte zum Abschluss der Einweihungsfeier das Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“.
Danach gingen wir wieder in den Gemeindesaal, wo uns Braten und Bratwurst serviert wurde und der gemütliche Teil des Festes folgte, welcher sich bis gegen 23 Uhr hinauszog.

Der Kirchturm in Brenndorf wird nun jeden Abend beleuchtet. Foto: Hugo Thiess

Am Sonntag war die Gemeinde zum Gottesdienst nach Petersberg eingeladen mit anschließender Besichtigung der alten Kirchenburg.
Wir, die Familie Gliebe, hatten uns abgesprochen, an diesem Tag unseren Kindern und Enkelkindern Honigberg, den Geburtsort unserer Mutter, Oma und Uroma, zu zeigen, wo mein Großvater als Prediger-Lehrer und Schuldirektor sein Leben lang mitgewirkt hat. Alle waren tief beeindruckt von dem großen Bau der alten Kirche, dem hohen Kirchturm und den vielen Kornkammern, welche in die Ringmauern eingebaut sind und heute als Ausstellungsräume für alte Beweisstücke benutzt werden.
Zum Mittagessen fuhren wir wieder nach Brenndorf und durften am späten Nachmittag noch einen Ausflug nach Tartlau machen, um auch von dieser berühmten Kirchenburg noch einiges zu sehen und vor allem, das klassische Konzert eines berühmten rumänischen Gitarrenkünstlers im Duett mit einem Kollegen zu hören.
Wieder zurück in Brenndorf, gab es noch ein herrliches Abendessen und als Überraschung des Festes präsentierte Manfred Copony eine junge rumänische Tanzgruppe, welche den Anwesenden zunächst deutsche Volkstänze und anschließend rumänische Volkstänze vorführte. Allmählich klang dann das gelungene Fest aus und wir fuhren wieder zufrieden nach Honigberg in unser Quartier.
Am Montag, dem letzten Tag unserer Reise, besichtigten wir die Rosenauer Burg, welche hoch über der Gemeinde errichtet wurde und einen 105 m tiefen Brunnen besitzt. Danach fuhren wir mit dem Bus nach Măgura in die schön gelegene Gastwirtschaft „Villa Hermani“ des Wolkendörfers Hermann Kurmes, wo wir herzlich empfangen wurden und gut aßen. Anschließend besichtigten wir die nahe gelegene Törzburg (Bran). Leider war das Schloss so überlaufen, dass man lange um die Eintrittskarten anstehen musste. Trotzdem haben die meisten das Schloss mit Museum besichtigt, kamen aber enttäuscht zurück, weil es auch innen so voll war und man fast nichts sehen konnte.
Nach dem Abendessen verabschiedeten wir uns von Manfred Copony und seinem Helferteam. Manfred aber dankten wir für alles, was er für diese schönen Tage und das gelungene Fest, zur Zufriedenheit aller Anwesenden, organisiert hat.
Am nächsten Morgen um 9 Uhr fuhren wir von Honigberg weg und waren bei einer schönen Fahrt gegen Abend an der ungarischen Grenze. Als die Dämmerung einbrach, ließ ich die DVD über die Hochzeitsbräuche in Brenndorf,  die ich zum Ansehen mitgenommen hatte, über denDVD-Recorder und die beiden Bildschirme im Bus laufen. Schon beim Ertönen des Liedes „O Heimat, mein Brenndorf, wie bist du so schön“ wurde es still im Bus und die getragene Stimme von Eva Stamm erinnerte uns alle an die letzten schönen Tage und Stunden, welche wir in Brenndorf und Umgebung erleben durften. Füreinige derälterenMitreisenden war es sicher ein letzter Abschied von der alten Heimat.
Otto F. Gliebe