800 Jahre seit Berufung des Deutschen Ordens ins Burzenland

Über die Geschichte des Ritterordens im Burzenland und die kirchenpolitischen Implikationen, die der Aufenthalt des Ordens mit sich brachte, gibt es fundierte Literatur, auf die hier nur verwiesen sei (Prof.Dr.Dr.Dr.h.c. mult. Harald Zimmermann: Der deutsche Orden in Siebenbürgen, Band 26 der Studia Tranyslvanica; siehe auch Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. Januar 2011, Nachdruck in diesem Heimatbrief auf den Seiten 2 bis 5).

800 Jahre später mag es ein bisschen mit Stolz erfüllen, dass damals schon freie Menschen auf ihrem Recht bestanden, sich weder politisch noch kirchenpolitisch einem System unterzuordnen, das sie so nicht wollten. Es mag ein wenig weit hergegriffen sein, aber wären die Ritter im Burzenland geblieben, hätte die Reformation (und nicht nur die Reformation) in Siebenbürgen wahrscheinlich einen anderen und bei weitem nicht so geschlossenen und „günstigen“ Verlauf gehabt.

800 Jahre später erfüllt es einen aber auch mit Wehmut, wie Geschichte schlechthin in den letzten Jahrzehnten verlaufen ist. „Die Erinnerung an weise Regenten und an das Geblieben-Sein und Bleiben im Lande fällt freilich schwer in heutiger Zeit“ schreibt Professor Zimmermann unter Bezugnahme auf ein Zitat des Historikers August Schlözer, der meinte, es sei des Feierns wert, dass damals „ein freies, glückliches Volk unter weisen Königen“ im Lande geblieben sei. Ich denke z.B. nicht nur mit Wehmut an Marienburg und an den Verfall der dortigen Burg zurück; ich kann mich im Nachhinein des Eindrucks nicht erwehren, dass der Verfall der Burg in den 60er und 70er Jahren System hatte, d.h. politisch gewollt war und dass er danach ohnehin nicht mehr aufzuhalten gewesen wäre. Es waren nicht nur böse Zungen, die behaupteten, der neue Ortsteil unter der Burg sei mit Steinen aus der Burg gebaut worden – auch rumänische Zeitungen berichten heute darüber. Und dass nun auf der nordöstlichen Seite der Burg eine riesige Kläranlage mit EU-Fördermitteln gebaut wird, ist aus der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. Mai 2011 zu erfahren. Das zeigt einmal mehr, wie heute die Prioritäten gesetzt werden.

Nichtsdestotrotz bleibt so ein Jubiläum des Gedenkens und des Nachdenkens wert. Harald Zimmermann bringt es auf den Punkt: „Was sind 14 Jahre Deutscher Ritterorden im Burzenland (1211-1225) gegen 850 Jahre Siebenbürger Sachsen, noch immer und in aller Welt?“ Die Erinnerung an den Deutschen Orden ist eingebunden in die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und macht einmal mehr deutlich, dass wir unserem Erbe verschrieben und verpflichtet sind. Aber was heißt das denn? Nur, „dass wir bleiben wollen, was wir sind“? Sind wir das noch – losgelöst von der „heimatlichen Erde“? Der volkskirchliche Zusammenhalt von ehedem – wo ist er geblieben? Sie merken, das ist das heiße Eisen und damit kann man sich um Kopf und Kragen reden.

Aber eines ist mir bei aller implizierten oder konstruierten Ratlosigkeit doch wichtig geworden: die Rückbesinnung auf die Vorfahren, denen Freiheit das wichtigste Gut war, kann auch uns heute Orientierung sein. Was ist Freiheit und wie gelingt es uns, die Zwänge, denen wir in unserer heutigen Welt unterliegen, zu erkennen, zu artikulieren, in den Griff zu kriegen?

Den Vorfahren war sowohl vor als auch nach der Reformation die Erkenntnis wichtig: Freiheit hat mit Selbstbestimmung zu tun – auf allen Ebenen. Und auch als „freier“ Mann (Frau) bin ich gerufen in die Freiheit, unter die mich Gottes Ruf und Anspruch stellt. Und ich glaube, dass dieser Anspruch etwas Zeitloses ist: dass mir jemand ein Wort der Anerkennung, des Zuspruchs und des Anspruchs sagt, das brauche ich gerade in unserer Zeit. Das lässt mich Bodenhaftung finden. Das hilft mir, mit den Brüchen in meinem Leben umgehen zu lernen. Und es hilft mir, die Vergangenheit nicht schönzureden, sondern mich mit ihr auseinanderzusetzen. Es hilft mir auch, Fragen an die Zukunft zu stellen, für die ich sonst nicht den Mut hätte. Und das brauchen wir – auch und erst recht im 800. Jahr eines geschichtsträchtigen Ereignisses. So gesehen wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Pfingstfest 2011.



 

Pfarrer Helmut Kramer

 

 

 

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