Pfarrer Helmut Kramer predigte in Brackenheim

Der zehnte Nachbarschaftstag der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ begann am 26. September 2009 mit einem bewegenden Gottesdienst in der evangelischen Jakobus-Stadtkirche in Brackenheim. Die Predigt hielt Pfarrer Helmut Kramer zusammen mit Pfarrer Dr. Peter Klein zur Losung des Tages („Bis hierher hat uns der HERR geholfen“ aus dem ersten Buch Samuel, Kapitel 7, Vers 12) aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: Pfarrer Kramer aus der Sicht eines Auswanderers, Pfarrer Klein aus der Sicht des heute für Brenndorf zuständigen Seelsorgers. Pfarrer Kramers Predigt wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben.


Liebe Gäste!

Seit 1731 begleiten die Losungen der Herrenhuter Brüdergemeinde Menschen in evangelischen Gemeinden in Ost und West und bieten eine Ausrichtung für den Tag. Für heute gilt als Losungswort ein Spruch aus dem 1. Buch Samuel im 7. Kapitel:
„Bis hierher hat uns der Herr geholfen“. Als schlichtes Losungswort, (- zugegeben aus einem historischen Kontext herausgerissen-) bringt es uns heute eine Botschaft und veranlasst uns, zurückzublicken auf unseren Lebensweg. Und in der Tat geben diese beiden Tage des Miteinanders vielen die Möglichkeit, sich auszutauschen, in Erinnerungen an früher zu schwelgen, sich unter veränderten Voraussetzungen neu wahrzunehmen.
„Bis hierher“ - das ist eine Ortsbestimmung, die uns fragen lässt: (– jede und jeden einzelnen -) wo stehe ich? Sie lässt sich hineinstellen in die Frage nach Gottes Fügungen und Führungen und weist doch auch darüber hinaus mit der subtilen Anfrage: „hat uns der Herr geholfen“, oder wollten wir uns selber helfen; meinten wir zumindest, nachhelfen zu müssen? „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“ ist ein auch unter Siebenbürgern sehr oft erwähntes und beliebtes Zitat (geht auf den Schriftsteller des 16. Jhs. Justus Georg Schottel zurück in der Version: „Mensch, hilf dir selbst, so hilfet Gott mit“), bringt aber eine zutiefst unevangelische Haltung zutage: irgendwie meinen wir immer, irgendwo mithelfen zu müssen, weil Gott „es“ – wie wir irgendwann meinen – allein „nicht mehr packt“. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, liebe Gäste, liebe Festgemeinde; ich kann in einem Punkt nur für mich selber sprechen: wenn ich zurückblicke auf die letzten Jahre und Jahrzehnte, kann und will ich nicht leugnen, Gottes Hilfe erfahren zu haben. Und ich wünsche Ihnen allen, dass Sie im Rückblick auf Ihr Leben von ganzem Herzen sagen können: Gott hat mir / hat uns geholfen (so, wie der Psalmbeter das ausdrückt: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getand hat“ (Ps. 103,2). Aber der Ort, an dem ich persönlich heute stehe, lässt mich mit gemischten Gefühlen zurückblicken: auf die Gemeinden in Siebenbürgen; auf die Last des Erbes (-die jahrhundertealten Traditionen, die Kirchenburgen, die Fragen, wie es dort weitergeht; auf das Miteinander der Kulturen und Religionen, das schon vor weit mehr als 20 Jahren wohlwollend begleitet werden wollte, dem ich mich aber mit meinem Weggang entzogen habe-) und: – ob ich es will oder nicht – der Ort, an dem ich heute stehe, konfrontiert mich mit der Frage nach der kollektiven Schuld, an der ich mich persönlich als Teilhaber fühle. Diese Form der Betroffenheit mag unter uns ganz unterschiedlich ausfallen und ich will meine Betroffenheit keinem aufdrängen.
Doch eines, glaube ich, bleibt bei aller Ortsbestimmung für uns alle eine Anfrage. Und da möchte ich gerne auf den ursprünglichen Text aus 1. Samuel 7 zurückgreifen, denn mit alttestamentlichen Texten haben wir uns schon immer in besonderer Weise identifiziert. Letztendlich kommt keine und keiner an der Anfrage vorbei, die einst Samuel seinem Volk gestellt hat. Doch nun zu dem Text, (in der Übersetzung der Guten Nachricht [1. Samuel 7, 2-12]):
„Zwanzig Jahre waren vergangen, seit die Bundeslade nach Kirjat-Jearim gekommen war. Allen Israeliten tat es Leid, dass sie vom HERRN abgefallen waren, und sie trauerten darüber, dass er sie verlassen hatte.
Da sagte Samuel zu ihnen: »Wenn ihr wirklich zum HERRN zurückkehren wollt, dann schafft die Bilder der fremden Götter und Göttinnen fort! Setzt euer ganzes Vertrauen auf den HERRN und verehrt keinen Gott außer ihm; dann wird er euch aus der Gewalt der Philister befreien Die Israeliten hörten auf Samuel. Sie beseitigten die Bilder der Götzen Baal und Astarte und verehrten den HERRN allein.
Daraufhin rief Samuel alle Männer Israels nach Mizpa. »Dort will ich zum HERRN beten, dass er euch wieder hilft«, sagte er.
Sie kamen alle, schöpften Wasser und gossen es vor dem HERRN aus, fasteten den ganzen Tag und bekannten dem HERRN ihre Schuld. Dort in Mizpa schlichtete Samuel die Streitigkeiten unter den Israeliten und gab ihnen seine Weisungen.
Als bei den Philistern bekannt wurde, dass die Männer Israels sich in Mizpa versammelt hatten, rückten die fünf Philisterfürsten zu einem Feldzug gegen Israel aus. Den Israeliten entfiel aller Mut, als die Nachricht eintraf.
Sie bestürmten Samuel: »Lass uns nicht im Stich! Hör nicht auf, zum HERRN, unserem Gott, um Hilfe zu rufen, dass er uns gegen die Philister beisteht und uns vor dem Untergang rettet
Samuel schlachtete ein Lamm und verbrannte es auf dem Altar als Opfer für den HERRN. Dabei rief er zum HERRN um Hilfe für Israel und der HERR erhörte sein Gebet.
Während Samuel noch das Opfer verbrannte, rückten schon die Philister zum Kampf gegen Israel heran. Der HERR aber ließ es über den Philistern so schrecklich donnern, dass sie in Panik gerieten und flohen.
Da brachen die Männer Israels aus Mizpa hervor, verfolgten sie bis hinter Bet-Kar und brachten ihnen eine schwere Niederlage bei.
Samuel stellte zwischen Mizpa und Jeschana ein Steinmal auf. »Bis hierher hat uns der HERR geholfen«, sagte er. Deshalb nannte er den Stein Eben-Eser (Stein der Hilfe)“.
Samuels Worte brennen mir in der Seele: „wenn ihr wirklich zum Herrn zurückkehren wollt, dann setzt euer ganzes Vertrauen auf den Herrn“… Im Rückblick auf erfahrene Hilfe kann es gut tun, eine neue Positionsbestimmung zu wagen und sich noch einmal fragen zu lassen: was heißt das: unser ganzes Vertrauen auf den Herrn setzen? Ich wünsche uns Mut, uns mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Ich wünsche uns Mut, die Konsequenzen zu ziehen, die wir daraus erkennen.

Pfarrer Helmut Kramer

 

 

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