Brenndörfer erinnern an die Deportation in die Sowjetunion

70000 Deutsche aus Rumänien wurden vor 80 Jahren, im Januar 1945, zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt. Die Deportation sei die „größte Tragödie in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen und der Evangelischen Kirche“ gewesen, sagte Bischof Reinhart Guib. 276 Brenndörfer wurden am 13. Januar 1945 ausgehoben. Die 100-jährige Rosi Graef erinnert sich, wie sie vor 80 Jahren deportiert wurde. Reinhardt Schuster berichtet, wie seine Mutter erst elf Jahre nach der Aushebung wieder nach Brenndorf zurückkehren konnte
Mit dem ersten Krankentransport aus der Sowjetunion entlassen
Am 13. Januar 1945 erschienen rumänische Soldaten, begleitet von einem russischen Soldaten, in unserem Haus in Brenndorf. Wir mussten in ihrer Anwesenheit ein paar Sachen zusammenpacken und wurden dann zum Schulhof gebracht. Anschließend ging es nach Kronstadt und von da in Viehwaggons in den Donbass. Das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Es waren circa 30 Personen in unserem Waggon mit einer Pritsche, einem kleinen Ofen und einem Loch. Alle kauerten, saßen am Boden. Abwechselnd konnten zwei auf der Pritsche etwas schlafen. Fast jeder hatte eine Decke von zu Hause mit. Eine Decke kam auf die Pritsche, mit der anderen deckte man sich zu. Sonst schlief man im Sitzen. Zwei Wochen dauerte die Fahrt. Nachts fuhr der Zug, und tagsüber stand er. Ab und zu wurde Halt gemacht. Bei so einer Rast, die von russischen Soldaten bewacht war, erfuhren wir, dass es zum „schwarzen Gold“ ging. Dann wussten wir, dass es ins Kohlengebiet ging. Angekommen in Parkomuna, wurden wir auf verschiedene Lager verteilt, die meisten Brenndörfer nach Makeewka. Ich und ein paar andere kamen nach Nikanor. Folgende Brenndörfer waren noch in diesem Arbeitslager: Pfarrer Fritz Nösner, Helmut und Adele Wutschi, das Ehepaar Gölle, Hermine (Mini) Rhein, Luise von Kraus (geb. Copony), Hildegard Rothbächer, Anni Schneider, Gertrud Köcher, Herta Copony geb. Seimen, Emma Schuster geb. Schneider.
Durch die schwere Arbeit im Bergwerk und schlechte Ernährung wurden viele schwach und krank. Wegen einer Verletzung am Fuß wurde ich von Doktor Lang im Dezember 1945 auf die erste Liste für den Krankentransport nach Hause gesetzt. Und so kam ich nach fast einem Jahr auf einer abenteuerlichen Rückfahrt, die direkt nach Rumänien ging, wieder nach Hause nach Brenndorf.
Rosi Graef
(aufgezeichnet von Tochter Margot Kroner)
Späte Heimkehr aus der Deportation
Reinhardt Schuster erinnert an das Schicksal der Brenndörfer Sachsen, die vor 80 Jahren, im Januar 1945, zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden. Seine Mutter Emma Schuster geb. Schneider (geboren am 1. Dezember 1912 in Brenndorf, gestorben am 17. Dezember 1976 ebendort) war von 1945 bis 1947 deportiert, konnte aber erst nach elf Jahren wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Ich las neulich in einem älteren Exemplar der „Briefe aus Brenndorf“ (Folge 59 von Pfingsten 2005) über die Deportation und die nach fünf Jahren Donbass entlassenen Zwangsarbeiter auch aus unserem Dorf (meine Mutter war zeitweilig in Nikanor).
Was heute nur noch wenigen bekannt ist: Die damals krankheitshalber nach zwei Jahren Donbass Entlassenen wurden nach Deutschland in die Sowjetische Besatzungszone – nachmalige DDR – gebracht, weil Rumänien sie nicht ins Land kommen ließ, obwohl sie nach wie vor rumänische Staatsbürger waren. Eine Gruppe Brenndörferinnen, unter ihnen auch meine Mutter, mussten also zusehen, wie sie überlebten. Oft fanden sie Arbeit in der Landwirtschaft, kriegsbedingt fehlten die Männer. Nun wollten aber diese Frauen, allesamt Mütter von Kindern, die sie zurücklassen mussten, zurück zur Familie. Das war offiziell nicht möglich. Einmal saßen sie in einem Zug, der sie nach Rumänien bringen sollte, doch dann hieß es: aussteigen, Einreise nach Rumänien nicht genehmigt. Das war für sie eine riesige Enttäuschung.
In der Folge hat die Gruppe versucht, illegal nach Rumänien zu kommen – ein Abenteuer. Tagsüber versteckten sie sich in Feldern oder Wäldern, um nicht von der Polizei entdeckt zu werden, und nachts versuchten sie, die Grenze zu Ungarn zu überschreiten. Um nicht aufzufallen, haben sie sich in zwei Gruppen geteilt. Der ersten Gruppe ist es gelungen, nach Rumänien zu kommen. Die rumänische Polizei hat sie aufgegriffen und nach Temeswar ins Gefängnis gebracht, von wo sie nach einiger Zeit nach Hause entlassen wurden. Die zweite Gruppe, in der auch meine Mutter war, wurde von der ungarischen Polizei aufgegriffen, nach Budapest gebracht, dort an die Wand gestellt, Gesicht zur Wand, Hände hoch, wie bei einer Erschießung. Danach wurden sie nach Österreich zurückgeschickt. Alles war umsonst.
Ein andermal wollte ein Serbe sie sicher über die Grenze bringen, verschwand aber mit dem Gepäck (wohl Geschenke für die Kinder) unauffindbar. Also wieder zurück. Jahrelang diese Qual, unvorstellbar für Außenstehende.
Irgendwann, es waren wohl elf Jahre seit der Aushebung, an die ich mich noch gut erinnere, vergangen, als die Gruppe legal nach Rumänien zurückdurfte.
Reinhardt Schuster